© Ilon Wikland

Die Geschichte hinter den Michel aus Lönneberga

”Rate mal, was der Michel aus Lönneberga angestellt hat?” Das sagte Astrid zu ihrem dreijährigen Enkel, der aus voller Kehle schrie. Karl Johan verstummte, weil er natürlich wissen wollte, was Michel getan hatte.

Es war im August 1962. Michel wurde geboren. Am 22. Dezember desselben Jahres hat Astrid Lindgren Björn Berg angerufen um ihn zu fragen, ob er daran interessiert sei, ein Buch zu illustrieren, das im nächsten Jahr erscheinen solle. Sie hatte seine Zeichnung eines kleinen Jungen auf der Djurgårdsfähre in einem Buch über die skandinavischen Hauptstädte gesehen. Es bestand kein Zweifel, dass Michel so aussah, es war dieser Jungen, den Sie sich vorgestellt hatte. Björns vierjähriger Sohn Torbjörn, mit seinem flauschigen Haar und seinen runden blauen Augen, durfte für das erste Buch über Michel Modell stehen.

Emil och Astrid tecknade av Björn Berg

Es gibt kein konkretes Vorbild für Michel, aber mehrere Menschen und Geschehnisse, die Astrid zu den Geschichten von Michel inspiriert haben. Astrid beschwört das Bild von Vimmerby Anfang des letzten Jahrhunderts herauf, wenn sie Michel und seine Familie von Katthult auf den Markt nach Vimmerby fahren lässt. Aber Michel hat auch Züge von Astrids Papa Samuel August und ihrem Bruder Gunnar.

Samuel August hatte ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis und war ein lebendiges Nachschlagewerk für Astrid, wenn sie ihre Bücher schrieb. Selbst in fortgeschrittenem Alter erinnerte er sich noch genau, was man auf dem Markt in Vimmerby für ein Schwein oder eine Feuerspritze zahlen musste. Und er war ein guter Geschichtenerzähler. Viele Ereignisse aus den Michel-Büchern sind dem wahren Leben entnommen. Und Unfug, den hat Astrid auch gemacht, wenn auch nicht ganz so heftig wie Michel.

Das hat Astrid Lindgren selbst über Michel geschrieben

„Ich fand es lustig, über Michel zu schreiben, und weißt du, warum? Na ja, weil Michel halt ein Kind in einer Welt war, die der Welt ähnelte, in der ich selbst gelebt habe, als ich klein war. Und die genauso war, wie die Welt, in der mein Papa gelebt hat, als er klein war. Eine Welt, die es nicht mehr gibt. Als ich angefangen haben, über Michel und Ida und den Vater Anton und die Mutter Alma und über Lina und Alfred und Krösa-Maja und das ganze kleine Katthult zu schreiben, da war es, als ob ich nach Hause kam. Und ich spürte so eine Liebe für Michel, ich hatte das Gefühl, dass er so eng mit meinem Papa verwandt war, der irgendwann gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein kleiner blonder, barfüßiger Junge in Sevedstorp in Småland war, nicht weit von Michels Lönneberga.

Mein Papa hat es geliebt, zu erzählen. Sein ganzes Leben lang hat er erzählt. Über alles, groß und klein, alt und neu, was ihm gerade einfiel. Er hat davon erzählt, wie er - genau wie Michel - als Gatterjunge zu Hause in Sevedstorp Geld verdient hat, und wie er - genau wie Michel - in einer einzigen dunklen Augustnacht 60 Krebse gefangen hat und, genau wie Michel, hat er es einmal geschafft, eine verrückte Kuh zu besänftigen, indem er sie zu ein paar anderen Kühen gebracht hat, die mehr Verstand hatten. Was mein Papa da erzählt hat, über Gattergeld und Krebsfänge und verrückte Kühe und kitzlige Pferde und Auktionen und Hausbefragungen und Armenhäuser und Märkte und Bauernfeiern und was weiß ich noch alles, das ist in die Bücher über Michel eingeflossen. Es wurde wie ein Rahmen für seine ganzen Streiche. Die Streiche durfte ich mir selbst ausdenken, zumindest die meisten. Denn obwohl mein Vater als kleiner Junge auch ziemlich erfinderisch war, hat er nicht ganz so viel Unfug getrieben wie Michel. Es stimmt wohl, dass Michel mehr Unfug getrieben hat, als irgendein anderer Junge in ganz Småland und vielleicht auf der ganzen Welt.“

(Text aus dem Archiv von Astrid Lindgren, Jahreszahl unbekannt.)